The Good The Bad And The Zugly und "November Boys": Nie wieder postpubertäre Infantilität
01.10.2025 | Frank Diedrichs

Der Wahnsinn blickt einem direkt schon vom Cover entgegen. Sind das die November Boys, auf die der Albumtitel und der Opener ansprechen? Glaube ich dem Pressetext, haben Jungen, die spät im Jahr geboren wurden, Nachteile im Leben. So sollen sie es im Auswahlsport schwerer haben als Kinder, die im Frühjahr geboren wurden. Andere Studien belegen aber, dass eine hohe Lebenserwartung oder der Besuch eines Gymnasiums wesentlich wahrscheinlicher sind. Ist das Schicksal als November Boys eine Vorhersehung oder veränderbar? Vielmehr sollten die November Boys als Metapher für die Ungleichverteilung innerhalb der Gesellschaft gesehen werden. Sie sind Abgehängte, alle anderen sind scheinbar „rett mann på rett plass“ („die Richtigen am richtigen Ort“). Ivar Nikolaisen leiht mit seiner stimmbandzehrenden Stimme diesen Abgehängten seine Stimme. Sich in der Zeit und ihren Erwartungen falsch zu fühlen, greift How To Do Nothing auf. Vielfach ist das Tempo, in dem gesellschaftliche und politische Veränderungen stattfinden, überfordernd. Die Aufforderung zum Nichtstun steht dieser Geschwindigkeit gegenüber und weckt bei mir musikalische Erinnerungen an die Zeit des 90er-Punks, als die in etwa gleichaltrigen Bandmitglieder als junge Menschen nicht dieser Schnelllebigkeit ausgesetzt waren. In Norwegians Abroad findet ein Stilwechsel statt. Hardcore verschmilzt mit schnellen Metalriffs und bezeugt die Vielseitigkeit der Bandmitglieder.
Dig The Ditch kehrt wieder zurück zu dem Punk, der sich den vom Leben Zerstörten und von den eigenen Träumen enttäuschten widmet: „The boy got lost, who travels worldwide but the grass wasn't greener on the other side“. Wie oft bin auch ich schon falschen Träumen hinterhergejagt. Ist dann A Blazer In The Northern Sky die Kapitulation und Resignation vor der Gefangenschaft im Alltag? Warten auf das Ende des Arbeitsalltags, die Flucht in Sport, Gewalt, Alkohol und Karaoke? Liegt in diesen Dingen die Hoffnung? Wenig lässt sich in den Lyrics des Albums bislang als positiv erkennen. Dazu trägt auch Scandinavian CRISPR Brat bei, welches eine Dystopie entwickelt, in der durch Einbau genetischer Strukturen oder dem Ausschaltungen von DNA-Sequenzen Kinder entwickelt werden, die einfachen Regeln folgen sollen: „We need a simple mind! No sense of time!! Gotta go to the bar! Gotta take it too faaaar!!!“ Mit FOMO (Fear Of Missing Oslo) wird der Punk wieder etwas mehr Hardcore, die Stimme bleibt wütend, wenn die Ausschlachtung des kulturellen Lebens als Errungenschaft gefeiert wird, die jederzeit wieder gestohlen werden kann. Die musikalische Härte des Metalcore setzt Hadeland Hardcore in eine Rückschau des 2015er Album "Hadeland Hardcore" fort, wobei hier scheinbar die äußere gefühlslose Härte des Hadeland Hardcores betont wird. Den Tod durch soziale Medien greift in Stil des 90s-Punk All My Friends Are Dead Inside auf. Der Song endet mit einem Interviewauszug und der Frage, wer eigentlich The Good The Bad And The Zugly seien: „Ja, vielleicht in erster Linie einfach nur Trolling, schlechte Manieren, provokativ sein, um provokativ zu sein. Ich nenne das insgesamt eine Art performative Idiotie.“ Ich persönlich halte diese Aussage an sich für eine performative Idiotie, da die Band auf diesem Album zwar provokativ ist, aber sich zu keinem Zeitpunkt für dumm verkauft. Das Album wird mit New Kids On The Blockchain geschlossen, eine Warnung vor dem verzweifelten Versuch, sein Leben durch Krypto auf die Kette zu bekommen. Das „November brain“ schließt hier den Bogen zum Opener, den wahrscheinlich nur die Abgehängten rennen dem Gedanken nach, dass Geld glücklich macht, aber „they say; ‚Money can’t buy happiness.‘ Whoever said that didn’t have enough.“ Ich mag das Wortspiel zwischen den New Kids On The Block, der Boyband, die als Prototyp der gecasteten Band gelten kann, und dem Begriff des Blockchains, welches im Handel mit Kryptowährungen Sicherheit garantieren soll.
Nichts an diesem Album ist gradlinig. Die musikalische Ausrichtung bringt einen Stilmix aus Punk, Metal und Hardcore und vereint alles zu einem wüsten Konglomerat, das durch die auf alles wütende Stimme Nikolaisens eine feste Verbindung erhält. Die alten Alben mögen mehr Punk oder mehr Hardcore gewesen sein, aber spielt das bei den teils sehr aussagekräftigen Lyrics immer die Hauptrolle? Gerade die Metalriffs verleihen den Songs eine Rohheit, die das Album sehr interessant klingen lassen. Und wenn wir uns erinnern, haben sich die ZWEI GLORREICHEN HALUNKEN auch nicht an die Konventionen der Gesellschaft gehalten.
Wertung
The Good The Bad And The Zugly liefern einen spannenden Mix aus verschiedenen Genres ab. Metal, Punk und Hardcore zu verschmelzen, ist zwar keine neue Erfindung, erhöht aber durchaus den Wert des Albums. Aus den Lyrics wird ersichtlich, warum Ivar Nikolaisen seine Stimme nutzt, um mit kräftezerrender Wut gegen so vieles anzusingen. Die zehn Tracks verführen insgesamt zum Kopfnicken und Fußwippen.

Frank Diedrichs
Frank lebt seit über zwanzig Jahren in der Mitte Niedersachsens und unterrichtet Kinder und Jugendliche an einer Oberschule. Nach seiner musikalischen Erstprägung durch die Toten Hosen und Abstürzenden Brieftauben erweiterte er seine Hörgewohnheiten: Folkpunk, Singer-/Songwriter, Blues, Deutschpunk, US-/UK-Punk. Dabei kommt von Johnny Cash über The Beatles und Pascow bis hin zu Marvin Gaye eine Menge Vielfalt aus den Boxen, am liebsten als Vinyl.